Kultur inklusiv? Kultur unbeschränkt!

Die Fachstelle Kultur inklusiv setzt sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen unbeschränkt am kulturellen Leben teilhaben können. Sie unterstützt kulturelle Institutionen darin, ihre An-gebote für alle zugänglich zu machen und zeichnet dies mit dem Label «Kultur inklusiv» aus. Paola Pitton erläutert das Engagement der Fachstelle und den gesellschaftlichen Mehrwert von inklusiver Kultur.

Paola Pitton, was ist inklusive Kultur?
Paola Pitton: Inklusive Kultur steht für hindernisfreie Teilhabe aller Menschen, mit und ohne Behinderungen, am kulturellen Leben. Sie berücksichtigt somit unterschiedliche Bedürfnisse und hat viele Facetten; wo sie stattfindet, wirkt sie sensibilisierend auf das breite Publikum, schafft Sichtbarkeit für die Vielfalt der gesellschaftlichen Wirklichkeit und trägt dazu bei, Schranken im Kopf abzubauen.

Wen zeichnet die Fachstelle mit ihrem Label «Kultur inklusiv» aus?
Das Label zeichnet Institutionen aus, die die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am kulturellen Leben und damit die Zugänglichkeit von Kultur nachhaltig fördern.

Unsere Labelpartner setzen sich für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen als Kulturschaffende, Kulturbesuchende und als Kulturmitarbeitende ein. Auch engagieren sie sich dafür, Barrieren zu beseitigen, Zugangshilfen zu schaffen und Formate anzupassen. Institutionen, die das Label «Kultur inklusiv» tragen, anerkennen die «Charta zur kulturellen Inklusion».

In der Ausstellung «Touchdown» im Zentrum Paul Klee führten Kulturvermittelnde mit Down Syndrom das Publikum und erklärten Kunstwerke wie den «Chromosomenteppich» von Jeanne-Marie Mohn. Foto: Enrique Muñoz García
In der Ausstellung «Touchdown» im Zentrum Paul Klee führten Kulturvermittelnde mit Down Syndrom das Publikum und erklärten Kunstwerke wie den «Chromosomenteppich» von Jeanne-Marie Mohn. Foto: Enrique Muñoz García

Welches Anliegen hat diese Charta?
Es ist ihr Kernanliegen, dass sich die Unterzeichnenden der Charta zur ganzheitlichen Inklusion von Menschen mit Behinderungen verpflichten. Dazu setzen sie inklusive Massnahmen in den fünf Handlungsfeldern kulturelles Angebot, inhaltlicher Zugang, baulicher Zugang, Arbeitsangebote und Kommunikation um. Und durch eine offene Haltung wollen die Unterzeichnenden eine gesellschaftliche Vorreiterrolle in der Inklusion einnehmen.

Hat denn die Gesellschaft einen Nutzen von inklusiven Kulturansätzen?
Inklusive Kultur ist ein Mehrwert. Kulturelle Inklusion spiegelt die gesellschaftliche Realität und ihre Vielfalt wider; so gesehen, ist die Teilhabe aller an Kulturveranstaltungen (auf und hinter der Bühne sowie im Publikum) eine Bereicherung.

Von inklusiven Kulturangeboten profitieren alle Publikumsgruppen: Zugangsmassnahmen wie Leichte Sprache, niederschwellige Veranstaltungssettings und partizipative Kulturangebote kommen Menschen mit Behinderungen zugute ebenso wie beispielsweise fremdsprachigen oder bildungsfernen Bevölkerungsgruppen oder Familien mit Kindern.

Und: Kulturschaffende mit Behinderungen bereichern durch neue Ausdrucksformen und eine grössere Vielfalt!

Gute Beispiele für Labelpartner:

Heitere Fahne, Bern:  Ihr Theater Frei_Raum besteht aus Schauspielerinnen und Schauspielern mit kognitiven Beeinträchtigungen sowie ausgebildeten Theater- und Musikschaffenden. Über die Jahre ist ein festes Kernteam entstanden und hat sich mit einer ganz eigenen Theatersprache etabliert.


Kindermuseum Creaviva, Zentrum Paul Klee: Mit seinem inklusiven Projekt "Klee ohne Barrieren" (2009-2016) ist das Creaviva ein Pionier der kulturellen Inklusion, insbesondere auch von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Das Creaviva entwickelte z.B. einen Audioguide in Leichter Sprache für eine Ausstellung, der Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder mit wenig Deutschkenntnissen den Zugang zur Kunst erleichtert. Seine ganzheitliche inklusive Haltung fliesst in die Arbeit der Kunstvermittlung ein; diese setzt unter anderem auf das Mehr-Sinn-Prinzip mit Hilfsmitteln. Seit 2019 stellt es Kunstschaffende mit unterschiedlichen Behinderungsformen als Leitende, Co-Vermittelnde oder Assistierende in den Ateliers an.

Wildwuchs Festival, Basel: Das Festival lebt seine inklusive Haltung ganzheitlich, selbstverständlich und mit Berücksichtigung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Damit sich diese Vielfalt im Publikum widerspiegelt, bietet Wildwuchs zahlreiche Zugangshilfen an. Das Wildwuchs-Team setzt sich inklusiv aus Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen.

Festival Stanser Musiktage, Stans: Das Festival arbeitet eng mit der Stiftung Weidli Stans zusammen: Das Programm wird auch in Leichter Sprache verfasst und von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen aus der Stiftung geprüft. Die inklusive Band der Stiftung tritt regelmässig am Festival auf.

Die Cie BewegGrund: Die Kompagnie erarbeitet regelmässig Bühnenproduktionen mit behinderten und nicht-behinderten professionellen Tänzer*innen. Seit 1998 setzt sich der Vorstand des Vereins Beweg-Grund inklusiv zusammen und arbeiten Menschen mit Behinderungen im Verein – z.B. an Workshops – mit.