Modeschau ohne Schranken

13.11.19

In diesem Jahr fand im Schlossgarten Riggisberg zum ersten Mal eine Modeschau statt, bei der Menschen mit Beeinträchtigungen als Modelle auftraten. Zwei Vertreterinnen von Mode­geschäften haben persönlich viel beigetragen - und vielleicht noch mehr zurückerhalten.

Ines Nicolai, Beatrice Zbinden, was war Ihre Motivation, mitzumachen?

Ines Nicolai, Hostettler Mode: Als ich die Anfrage erhielt, war meine Reaktion sehr positiv, ich fand die Idee sehr schön. Wir machen viele Modeschauen und ich wusste in etwa, auf was ich mich einlasse. Eine Modeschau mit Modellen mit Beeinträchtigungen durchführen zu dürfen war etwas Neues, auf das ich mich freute.

Beatrice Zbinden, Mode Seematter: Ich engagierte mich an meinen freien Tagen für die Vorbereitung und war sehr gespannt, was auf mich zukommt. Ich war sehr überrascht, wie selbständig die Modelle trotz Beeinträchtigungen waren. Für mich war es eine sehr positive Erfahrung.

Ines Nicolai, Beatrice Zbinden
Ines Nicolai, Beatrice Zbinden

Wie unterschied sich diese Modeschau im Schlossgarten von einer herkömmlichen?

bz: Der grösste Unterschied bestand in der Hilfestellung, die wir beim An- und Ausziehen boten und auch darin, dass wir ganz klare Anweisungen geben mussten.

in: Genau. Die Vorbereitungen hingegen unterschieden sich nicht. Wir überlegten uns den Blumenschmuck, die Musik und die Abfolge für den Laufsteg – dies war genau gleich wie bei einer herkömmlichen Modeschau.

Modeschau Rosen

Waren die Modelle bei diesen Vorbereitungen beteiligt?

in: Ich fand sehr schön, dass von den Teilnehmenden viele Ideen kamen. Jemand steuerte rote Schuhe bei, oder wir diskutierten Vorschläge zu Liedern und Musikstilen, zum Beispiel «99 Luftballons». Wir gingen gerne auf diese Anregungen ein.

Modeschau Tanzen

Für alle Beteiligten war die Modeschau ein aussergewöhnliches Erlebnis. Welche Bedeutung hatte die Mode selbst?

bz: Ich glaube, dass für die Teilnehmenden die Mode nicht im Vordergrund stand, sondern eher das Gefühl, im Mittelpunkt zu stehen und zu zeigen, dass sie diese Leistung bringen und auf dem Laufsteg gehen können. Diese Freude und Energie spürte man sehr stark.

in: Das ist vielleicht auch ein Unterschied zu einer klassischen Modeschau, wo Models auch schon mal sagen: «Das ziehe ich nicht an!» Hier hatten alle grosse Freude an den schönen Kleidern, vor allem aber am Erlebnis. Für mich war sehr bewegend, die Freude und den Stolz zu erleben. Auch die Komplimente, die die Teilnehmenden einander machten, berührten mich sehr.

Publikum

#unbeschränkt will unter anderem aufzeigen, welche Möglichkeiten Menschen mit Beeinträchtigungen haben. Würden Sie jemanden mit Beeinträchtigung in Ihrem Modegeschäft einstellen?

in: Im Lager, zum Beispiel fürs Auffüllen oder Verpacken, ist dies durchaus denkbar.

Die Modeschau hat mir eindrücklich gezeigt, über welche Möglichkeiten manche Menschen mit Beeinträchtigungen verfügen. 

Dies hatte ich so nicht erwartet. Bei manchen hätte ich nicht einmal gemerkt, dass sie eine Einschränkung haben.


Der Hintergrund von #unbeschränkt ist die UNO-Behindertenrechtskonvention. Wie nehmen Sie unsere Gesellschaft war? Wie gross oder klein sind die Hürden gegenüber Menschen mit Beeinträchtigung noch?

in: Ich bin in Riggisberg aufgewachsen und kenne den Schlossgarten seit ich ein Kind war - auch viele Bewohnerinnen und Bewohner. Man spürt, dass im Schlossgarten im Moment viel passiert, beispielsweise finden mehr öffentliche Anlässe statt. Die Bewohnenden sind so weniger abgeschottet. Man ist sicher auf gutem Weg, um die Hemmschwellen abzubauen.

Wo liegt der Vorteil, wenn man mehr Kontakt hat?

in: Der Vorteil ist, dass man normaler miteinander umgeht. Es ist wie bei allen Menschen: wenn man sich kennt, ist alles einfacher. Man hat dadurch eine zwischenmenschliche Basis, auf der man aufbauen kann, mit oder ohne Einschränkung. Je besser man die Eigenarten der unterschiedlichen Menschen kennt, desto besser kann man miteinander umgehen. Aus meiner Sicht ist deshalb die Öffnung des Schlossgartens zum Dorf Riggisberg sehr positiv.

Was nehmen Sie beide von der Modeschau mit?

bz: Die Gesichter auf dem Laufsteg, das Strahlen und die Freude.
in: Man könnte fast sagen: Glückseligkeit.
bz: Und wir wurden beschenkt – die Rosen, die die Modelle erhalten haben, haben sie zum Teil uns geschenkt und uns umarmt. Das war sehr bewegend.

Der Anlass war also auch für Sie selbst eine Bereicherung?

bz: Für mich war die Modeschau ein intensives Erlebnis. Der Kontakt mit Menschen mit Beeinträchtigungen während fast eines Monats war schön und lehrreich. Und ich war berührt, wie gut und wie normal wir miteinander umgehen konnten.

in: Auf jeden Fall, sehr sogar. Auch bei uns im Team hat die Modeschau viel ausgelöst. Zu meinem Vater habe ich gesagt: «wenn wir bei jeder Modeschau eine solche Stimmung hätten, wäre das wunderbar». Man hat ganz stark gespürt, wie der Funke vom Laufsteg aufs Publikum übergesprungen ist. Man muss es fast erlebt haben.

Finale