Das Filmpodium Zürich ist das Programmkino der Stadt Zürich und verfügt über einen der schönsten Kinosäle der Limmatstadt. Damit auch Menschen mit Sehbehinderungen das einzigartige Kinogefühl geniessen können, bietet das Filmpodium ausgewählte Filme mit sogenannten Audiodeskriptionen als Hörfilme an. Michel Bodmer, der stellvertretende Leiter des Filmpodiums, erklärt, wie das funktioniert.
Herr Bodmer, wie kam es dazu, dass das Filmpodium Zürich Filme mit Audiodeskription zeigt? Gibt es dazu Auflagen der Stadt?
Michel Bodmer: Als ich vom Schweizer Fernsehen, wo ich für die Audiodeskriptionen zuständig war, zum Filmpodium wechselte, hatte ich dafür ein Sensorium und war für das Thema sensibilisiert. Auch die Stadt Zürich als Trägerin des Filmpodiums ist bestrebt, einen möglichst barrierefreien Zugang zu ermöglichen. Auflagen diesbezüglich bestehen allerdings keine. Die Situation beim Filmpodium unterscheidet sich stark vom Fernsehen. Wir haben kein Budget, um selbst Hörfilmfassungen herzustellen, sondern übernehmen etwa die verfügbaren Schweizer Filme mit Audiodeskription von SRF.
Was ist eine Audiodeskription genau?
Man verwandelt einen Film in ein Hörspiel, einen Hörfilm. Das ist eine eigentliche Übersetzungsleistung. Die Idee dabei ist, dass man die relevanten visuellen Inhalte, welche Sehbehinderte nicht wahrnehmen können, in Worte transportiert. Dabei stellen sich verschiedene Probleme: Man muss die zusätzlichen Beschreibungen in Dialogpausen unterbringen und auf eine Art formulieren, die nicht wertend ist. Das ist vom Zielpublikum so gewünscht. «Eine schöne Frau kommt in den Raum» wäre zum Beispiel nicht adäquat, weil dies bereits eine Wertung ist.
Wie lange benötigt ein Deskriptoren-Team für einen Film?
Das ist sehr unterschiedlich. Bei den «Kindern vom Napf», einem Film fast ohne Dialog, waren die Deskriptoren sehr gefordert, um alle Bildstimmungen passend wiederzugeben. Bei Filmen mit viel Dialog ist man schneller. Actionfilme und Slapstick-Filme mit visueller Komik eignen sich nicht, sehr beliebt sind dagegen Dokumentationen. Um für einen normalen 90-Minüter das Skript zu erstellen, benötigt man im Schnitt rund zwei bis zweieinhalb Tage. Dieses muss danach aber noch eingesprochen werden.
Wie wird bei Ihnen im Kino die zusätzliche Tonspur erlebbar?
Wir müssen darauf achten, dass die anderen Kinobesucher nicht gestört werden. Es gibt deshalb zwei Audiosignale, die ausgegeben werden: einmal den reinen Filmton und einmal den Filmton samt der Audiodeskription. Dafür haben wir Kopfhörer, oder der Ton kann direkt auf ein Hörgerät übertragen werden.
Die App «Greta und Starks» erkennt, wenn man in einem Film sitzt, für den eine Audiodeskription existiert. Die Tonspur wird dann direkt von der App auf das Hörgerät gespielt. Das entlastet die Kinos, weil dann keine eigene Infrastruktur nötig ist. Auch Filmo, die Online-Edition des Schweizer Films, hilft, dass die verfügbaren Filme mit Audiodeskriptionen einem breiten Publikum zugänglich sind.
Warum sind Hörfilme wichtig?
Film ist ein Kulturgut und ein Thema, das verbindet. Man kann darüber mit anderen Menschen diskutieren – zum Beispiel den "Tatort" der Vorwoche. "Tatort"-Folgen werden übrigens schon lange audiodeskribiert. Die Schweizer "Tatort"-Folge von Dani Levy im KKL, die in einem Take gedreht wurde, war sogar für den deutschen Hörfilmpreis nominiert, hat allerdings nicht gewonnen. Für mich bedeutet Audiodeskription kulturelle Inklusion, es ist deshalb wichtig, dass wir uns dafür einsetzen.
Weitere Hinweise:
Die Filmförderung des Bundes macht seit einigen Jahren bei langen Spiel- und Dokumentarfilmen die Produktion einer Audiodeskription zur Bedingung für eine Finanzierung.
Der Verein Hörfilm Schweiz stellt für SRF die meisten Audiodeskriptionen her.
Im Oktober-/November-Programm des Filmpodiums wird der saudi-arabische Kinderfiilm «Das Mädchen Wadjda» in einer deutschen Synchronfassung zu sehen sein, wahlweise mit Audiodeskription.